Wenige Tage vor James Yuills Auftritt im B72 haben wir uns noch gefragt, was bei einem Konzert des Briten wohl im Mittelpunkt stehen wird. Die Gitarre oder der Laptop? Folk oder Elektronik? Als Yuill den Abend – gleichwie sein aktuelles Album Movement In A Storm – mit “Give You Away” eröffnete, war schon nach wenigen Minuten klar: das B72 wird heute zur Disco! Laptop und Synthesizer hatten ihren großen Auftritt, die Gitarre wurde in diesen Minuten, wie des Öfteren an diesem Abend, eingespart.
Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Dementsprechend genügt ein Blick auf Yuills Equipment und man kann sich denken, dass die Bedienung dessen für einen Einzelnen irgendwie kompliziert ist. Insofern passte Yuills Outfit mit weißem Hemd, schwarzer Krawatte und Hornbrille gut. Als zeitloser und sympathischer Geek, der seine elektronischen Geräte zu bedienen versteht, wirbelte er auf der Bühne zwischen Tasten, Schaltern und Reglern hin und her, kontrollierte, steuerte und loopte zudem die unterschiedlichsten Klänge, die sein MacBook hergab. Und ja, ab und an wurde doch auch die Gitarre gezückt. Dem Publikum gefiel das. Gleich wie Yuill auf der Bühne tanzte es ausgiebig auf den beiden Ebenen des B72. Zumindest dort, wo noch ein wenig Platz war, die Räumlichkeit in den Gürtelbögen war wie gewohnt voll. Aber war wirklich alles zum Abtanzen?
Die Mischung aus Folk und Elektronik, gemeinhin auch als Folktronica bekannt, kann wohl als eine der aufkommenden musikalischen Stilrichtungen der letzten Jahre bezeichnet werden. Dabei ist die Gratwanderung zwischen den beiden gegensätzlichen Genres schwierig. Bei der Betrachtung von Yuills Album Movement In A Storm empfanden wir den Zugang zu Folk-lastig, die Elektronik wirkte oft nur wie Beiwerk. Live war das komplette Gegenteil der Fall! Selbst am Album reduziert elektronifizierte Nummern wie “Crying For Hollywood” wurden im B72 mit einer elektronischen Wucht präsentiert, die unter dem Aspekt eines Konzerts einfach zu groß war. Viele Nummern wirkten dadurch schlichtweg unglaubwürdig und dieses Gefühl wurde mit Fortdauer des Abends größer. Wiederum passte die Balance zwischen Folk und Elektronik nicht. Interessanterweise meisterte ausgerechnet der österreichische Singer/Songwriter Mathias Frey alias Sweet Sweet Moon als Voract den Spagat zwischen authentischer Live-Performance und dem Einsatz elektronischer Hilfsmittel deutlich überzeugender. Egal ob seine Sounds von der Geige oder vom Game Boy Color kamen, sie waren erkenn- und nachvollziehbar – und genau deshalb faszinierend.
Bei James Yuill wäre weniger sprichwörtlich mehr gewesen. Als Zuhörer klammerte man sich an jeden Gitarrenakkord, an jedes gesungene Wort des Briten – dieses konnte man schließlich ein- und einer Aktion auf der Bühne zuordnen. Bei einem Großteil seiner elektronischen Musik war dies unmöglich, man war Yuill quasi ausgeliefert. Auf einem Dancefloor wäre das auch in Ordnung gewesen, von einem Konzert hätte man sich aber doch mehr erwartet.
Die ausgezeichneten Konzertbilder stammen übrigens von Christoph Liebentritt.