Wien hat letzte Woche, auch wenn das Jahr noch jung ist, wohl schon eines seiner Konzerthighlights des Jahres erlebt, was alternative Musik betrifft. Das Gastspiel des bärtigen Sam Beam, besser bekannt als Iron & Wine und eine Größe der aktuellen Indie-Musikszene, war zweifelsohne etwas Besonderes im ausverkauften WUK. Gemeinsam mit seiner nicht weniger als sieben Mann und Frau starken Band, gab der Amerikaner Auszüge aus allen seinen drei Alben zum Besten. Letzteres ist wörtlich zu nehmen. Das Konzert von Iron & Wine war gut, hätte aber einen strafferen Spannungsbogen gut vertragen. Beam und seine Truppe nahmen sich nämlich schon mit der ersten Nummer des Abends selbst vorweg.
„Rabbit Will Run“ heißt jene Nummer des aktuellen Albums Kiss Each Other Clean, mit der Iron & Wine das Konzert in Wien eröffneten. Wer den rund fünf minütigen Song am Album schon der musikalischen Sonderklasse zuordnete und sich daran freute, konnte womöglich sein Glück an diesem Abend im WUK kaum fassen. Live zogen Beam und seine Band alle Register der Instrumentierung, um den Song in all seinem Facettenreichtum zu präsentieren. Gespart wurde dabei wirklich an nichts. Weder an der permanenten Auslastung der Standardinstrumentierung (Stimme, Gitarre, Bass, Keys), noch an Percussions, Backing Vocals und Blasinstrumenten. Jeder der Musiker hatte im etwa auf das Doppelte verlängerten „Rabbit Will Run“ seinen Einsatz, jeder seinen Auftritt. Schon nach zehn Minuten hatte man musikalisch somit alles gehört, was Iron & Wine an diesem Abend zu bieten hatten. Das reduzierte in Folge zwar nicht die Qualität, nahm aber doch sehr frühzeitig ein wenig die Spannung aus dem Konzert. Denn was von nun an folgte, waren lediglich Variationen des bereits Gehörten, Steigerungsformen blieben zwangsläufig aus.
Schon früh an diesem Abend hielt man also Iron & Wines neue, gemeinsam mit dem aktuellen Album “Kiss Each Other Clean” gedruckte Visitenkarte in der Hand. Die musikalische Richtung, in welche das neue Album geht, ist dabei weniger klar (Blues Rock ála Dave Matthews?), wie das, was man auf diesem Weg zurückgelassen hat: reinen, reduzierten Folk. Lediglich bei den Nummern älterer Alben, die Beam originalgetreu präsentierte, kamen Erinnerungen an früher hoch. Ansonsten war es in erster Linie das Saxofon, welches sich neben Beam beständig in den Vordergrund spielte und viele Nummern an diesem Abend dominierte. In dieser Intensität war das dann doch ein wenig überraschend. Entsprechend dem aktuellen Album hätte man sich hie und da auch prägnantere Keys und Synthesizer-Klänge erwartet. Dem war allerdings nicht so, was leider ausgerechnet dem ausgezeichneten Opener von “Kiss Each Other Clean”, “Walking Far From Home”, zum Opfer fiel. Die Darbietung der Single-Auskopplung zählte zu den Enttäuschungen des Abends, konnte aber durch Highlights wie „Me and Lazarus“ oder „House by the Sea“ wettgemacht werden.
Nach 17 Nummern und einer Zugabe war das Iron & Wine Gastspiel schließlich vorbei. Was vom Konzerthighlight in Erinnerung bleibt, lässt sich schnell zusammenfassen. Erstens: Sam Beam ist nicht mehr Iron & Wine. Alleine mit Stimme und Gitarre, der Instrumentierung guten Folks, kommen seine Nummern nicht mehr aus. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber doch gewöhnungsbedürftig. Zweitens: Tift Merritt war wohl der sympathischste Voract, den man seit langem bei einem Konzert gesehen hat. Hingebungsvoll präsentierte sie mit souliger Stimme auf Gitarre und Klavier ihr aktuelles Album See You On the Moon. Drittens: durch die Aussparung der Carousel-Freifahrt hat es Iron & Wine verabsäumt, sich zumindest aus unserer Sicht unsterblich zu machen. Aber vielleicht wird das ja beim nächsten Konzert nachgeholt.
Die Konzertbilder stammen übrigens von Sabine.