Schön, wenn man dabei sein darf, wenn Geschichte geschrieben wird. Umso schöner ist es, wenn dabei auch noch Geschichten geschrieben werden und man diese vorgesungen und vorgelesen bekommt. Die Schweizerin Fiona Daniel tourte diese Woche erstmals außerhalb ihrer Heimat, der Auftritt im Wiener Haus der Musik machte dabei den Anfang. Wien dürfte somit einen historischen Moment in der Karriere der Züricherin einnehmen.
Fiona Daniel? Bisher brachte es die junge Musikerin außerhalb der Schweiz nur auf einzelne, selbst organisierte Konzerte in Paris und Stockholm. Vor dem Konzert im Haus der Musik verrät Klaus Totzler von der Vienna Songwriting Association, Mitveranstalter vieler Konzerte der Live On Stage-Reihe im Haus der Musik, “Fiona Daniel sei noch nicht so bekannt”. Augenblicke später betritt Daniel mit ihrer vier Mann und Frau starken Band die Bühne. Es braucht keinen ersten Liedwechsel, keine erste Rochade der Musiker an den Instrumenten, um sich zu fragen, warum man bisher eigentlich nichts von der jungen Schweizerin gehört hat. Ton und Text sind erstaunlich, der Auftritt überzeugend und sympathisch.
2010 erschien Fiona Daniels Debütalbum Drowning. Dabei handelt es sich um ein außergewöhnliches, schwer zu kategorisierendes Werk, da es konsequent Nummer für Nummer aus musikalischen Mustern ausbricht. Zwischen Folk (“War”), Rock (“Moon”) oder Jazz (“Mrs. Lonelyheart”) scheint es keine Grenzen zu geben, die einzige Konstante liegt in der Tiefe der einzelnen Nummern. Live hingegen schaffte es Daniel zusätzlich, die in sich geschlossenen Songs auch gemeinsam als Einheit zu präsentieren, umschiffte dabei aber geschickt die Gefahr der Vereinheitlichung. Ein Grund für dieses Gelingen könnte die durchgängige Instrumentierung aus Cello, Gitarre, Bass und Schlagwerk sein. Mit akribischer Genauigkeit gab Daniels Band die Songs zum Besten, die Anspannung war den Musikern dabei von der ersten Minute an ins Gesicht geschrieben. Einzig Ronja Rinderknecht am Cello wirkte locker genug, um ihre Zeit auf der Bühne so richtig genießen zu können. Sie war es auch, die Daniel mit Backing Vocals unterstützte und so am meisten mit ihr interagierte. Welche Rolle die Band an diesem Abend aber bewusst oder unbewusst auch einnahm, im Mittelpunkt blieb Fiona Daniel selbst. Egal ob an der Gitarre oder am Klavier, die Musik schien ihrer prägnanten Stimme immer die richtige Basis zu geben. So war man als Zuhörer gebannt und lauschte Geschichten.
They lost the faith in me,
what am I still hoping for?
Everybody’s just shouting at me,
what am I still patient for?
If life is really shit an fake as you told me,
what am I fighting for?
If love is only hurt and war,
what am I still dreaming for?
So ein Auszug aus “Drowning”, jener Geschichte, die auch dem Debütalbum seinen Namen gibt. Die Nummer zeugt von Orientierungslosigkeit und dem Wunsch nach Sicherheit. Also quasi ein Schwank aus dem Leben nachdenklicher Mitzwanziger. Andere Geschichten wiederum wurden vorgelesen. Aus roten Büchern, die man während des Konzerts schnell aus dem Backstage Bereich holen muss, da man sie dort vergessen hat. In diesen Geschichten geht es um jene gezogenen Grenzen, die den eigenen Vorstellungen entstammen, darum oft nur fiktiv sind und durchbrochen werden können. Neuland ist somit überall dort, wo man den Mut aufbringt, den nächsten Schritt zu setzen. Bei Fiona Daniel und ihrer Musik war dieses Neuland Österreich. So aufregend, so spannend, so verheißungsvoll, wie es Österreicher selbst wohl schon lange nicht mehr wahrnehmen können. Spätestens jetzt konnte man merken, welchen Wert dieses Konzert und der Rest ihrer kleinen Österreich-Tour für Fiona Daniel wirklich hatten. Österreich als Neuland und Wien als ein Meilenstein in der Geschichte von Fiona Daniel? Wir dürfen uns glücklich schätzen.
Die Konzertbilder wurden vom Haus der Musik zur Verfügung gestellt und sind dem entsprechenden Album auf Facebook entnommen.