Unterkühlt & Analog – “Minimal/Cold Wave” in Wien

Unterkühlt & Analog – “Minimal/Cold Wave” in Wien

Das ein musikalisches Schubladendenken eher hinderlich ist, wird den meisten Menschen schon bei der Antwort auf die meist nebensächliche Frage nach der “Lieblings-Musikrichtung” klar. Der Versuch in dem Moment mit Bandnamen um sich zu werfen ist auch nur dann erfolgreich, wenn der Gegenüber die gleiche oder zumindest ähnliche musikalische “Grund-Ausbildung” hat, wie man selbst. Andererseits greift man dann zurück auf fast mathematische Formeln und Vergleiche, wie “klingt wie x mit y vor z Jahren, nur besser”. Und von den Menschen, die mit Genre Obergriffen, wie “Rock” oder “Gothic” (sic!) um sich werfen, will man meist sowieso keine näheren Informationen zu (musikalischen) Vorlieben haben.

“Minimal Wave” ist einer dieser Genre Bezeichnungen, die bis vor ein paar Jahren noch überhaupt nicht existierte, obwohl es die Musik und die Bands, die sich in dieser Schublade verstecken, schon bereits seit Ende der 70er Jahre gibt. Wollte man sich vor 2000 einem anderen Menschen verständlich machen, sprach man meist von New Wave, Minimal Synth, Synthpunk/pop, Angstpop oder Coldwave; alles Bezeichnungen, die einzeln unterschiedlicher nicht sein könnten, doch alle einem ähnlichen Prinzip folgen, in Instrumentierung und Stilisierung:

“genre (..) which focuses on electronic, pre-MIDI instrumentation and themes of sincere, rather than ironic, detachment”

(laut Wikipedia).

Mitte 2005 gründet dann Veronica Vasicka in New York ein privates Platten-Label unter eben jenem Namen “Minimal Wave” und veröffentlicht Compilations und Reissues von Bands aus den späten Siebzigern, frühen Achtzigern. Ihre Radio Show Minimal Elektronik Plus, die auf ihrem mitbegründeten Radiosender East Village Radio läuft, diente als Hintergrund und hatte schon Jahre vor der Label-Gründung unter Fans dieser Art von Musik einen gewissen Kultstatus.

(..) quietschende, fiepende, blubbernde und schraubende Sounds analoger Synthesizer” schreibt minimal-elektronik.de auf ihrer Website über die “effektiven, unterkühlt-analogen” Songs. Alles ist handgemacht, keine MIDI Geräte, keine Computer; die Musik kommt aus analogen Synthesizern, Drumcomputern, ab und zu hallende Gitarren. Ein, für ihre Zeit, futuristischer Sound, deren (sehr von einem Lebensgefühl der Achtziger geprägten) Texte auch heute noch Bedeutung haben. (Eine sehr empfehlenswerte Einleitung zum Thema “Minimal Elektronik” ist auf der Seite minimal-elektronik.de zu lesen).

Die vielen unterschiedlichen Ausprägungen, meist mit regionalem Hintergrund, machen die Musikrichtung umso interessanter. Vom fast klassischen Minimal Synth, ähnlich der Musik von frühen Human League oder Depeche Mode (man denke zb. an die erste Demo Aufnahme von Photographic); über einem DIY Minimal Punk/Synth Punk, welcher in einer deutschen Version sehr an NDW erinnert aber mit der Spassfraktion von Nena oder Frl. Menke recht wenig gemein hat; bis hin zu Cold Wave, (welcher vor allem in Frankreich verbreitet war): Bands wie Guerre Froide, Gestalt oder Asylum Party, welche mit ihren Gitarren und Synthesizern etwas an die Pornography Platte von The Cure erinnern.

 

30 Jahre nach den ersten minimalen Experimenten solcher Bands, verbreitet auf Tapes, Bootlegs oder selbstgepresstem Vinyl, ist es dann sehr erfreulich zu sehen, dass diese Sparte wieder ein Publikum hat. Labels wie Minimal Wave (US), Wierd (US), Mannequin (IT), WSDP (D) oder Vinyl-On-Demand (DE), welche dieses Material zusammentragen und veröffentlichen, machen es dem Publikum leichter neue/alte Bands aus dieser Ära (wieder) zu entdecken. Und natürlich gibt es die Gruppe von Plattensammlern, welche untereinander “Wunschlisten” austauschen und auf Ebay Platten von Transparent Illusion oder L’Aventure Imaginaire um mehrere hundert Euro ersteigern.

Veranstaltungen und Parties, auf denen diese Art von Musik gespielt wird, sind da schon schwieriger zu finden; vor allem in Wien (bis natürlich auf die ein oder andere “schwarze” Party, auf der es gelegentlich Minimal-Synth zu hören gibt). Parties wie “Mind The Gap” oder Dancefloor Tragedy, bei deren DJs man sich ohne Gefahr Songs von Absolute Body Control oder Snow Red wünschen konnte, existieren leider nicht mehr.

Seit ein paar Monaten gibt es in Wien allerdings eine Veranstaltungs-Reihe unter dem Namen Future Echo, “(which) reflects the past sound of the late ’70s/early ’80s DIY movement by showcasing MINIMAL SYNTH WAVE acts alongside visual and performance art“. Die Veranstalter (rund um das Crazy Hospital Team) bringen so Bands wie Sudeten Creche oder Weltklang nach Wien, oder begeistern mit zeigenössischen Acts, wie den großartigen Xeno&Oaklander (welche zu zweit auf einer vernebelten Bühne ihre 5 Synthesizer und 2 Drumcomputer live bedienten und sich nachher angeregt mit Fans über Lieblings-Platten und Korg Synthesizer unterhielten).

Zum Abschluss noch die Empfehlung am 17. September ins Fluc zu schauen, wo Matthias Schuster im Rahmen von Future Echo spielen wird; sowie folgende YouTube Playlist, mit Minimal-Klassikern & Raritäten:

 

Geschrieben hat Michael

Michael schreibt am liebsten über Destruktiv-Pop und freut sich unausgesprochen, wenn im Radio Hits der 80er laufen.