Umgekehrte Platzangst bei Balmorhea im B72

Umgekehrte Platzangst bei Balmorhea im B72

“Wie passt eine siebenköpfige Band auf die Bühne des Wiener B72?”. Das war eine der großen Fragen vor dem Konzert von Balmorhea am vergangenen Mittwoch im Wiener Gürtellokal. Beantwortet wurde diese zum einen von Balmorhea selbst. Die Truppe reiste nur zu sechst aus Austin, Texas an. Zum anderen gab der vergrößerte Bühnenbereich des B72 Antwort. Durch diesen hatten alle Musiker mitsamt Instrumenten wie Violine, Cello, Kontrabass, gefühlten zehn Gitarren, Keyboard, Schlagzeug und Vibraphon mehr Platz. Dass es – ganz im Gegensatz zum Zuschauerbereich – auf der Bühne des B72 aber immer noch eng war, verwunderte angesichts der Instrumentenvielfalt nicht, lag aber auch am Variantenreichtum, mit dem Balmorhea musizierte. Die Musiker wechselten nämlich nicht nur einmal Instrumente oder tauschten diese ganz aus. Und so vermisste man auch nach einer knappen Stunde Konzertgenuss das oftmals wichtigste Instrument nicht weiter: eine Stimme.

Balmorhea ist eine reine Instrumental-Band, die es in ihrer Musik versteht, den oftmals schwierigen Bogen zwischen moderner Kammermusik und Rock zu spannen. Dadurch wirken Stücke, die von klassischen Instrumenten getragen sind, neben jenen, in denen zeitweilig bis zu vier Gitarren geschrammt werden, auch nicht verloren, sondern dienen dem Klangteppich, von dem man nicht mehr runterkommen, sondern auf dem man sich vielmehr schlafen legen möchte. Selbst das regelmäßige Vorbeirauschen der Wiener U-Bahn lenkte da nicht ab, sondern fügte sich nahtlos ins Konzertgeschehen ein, wirkte fast wie das immer wiederkehrende Stilmittel, welches Balmorhea anstelle einer Stimme vorsahen. Letztere fehlt auf Alben vielleicht ab und an, wenn die Amerikaner Bühnen bespielen aber kaum. So bleibt ein Eindruck, wie ihn der Schweizer Blog 78s anlässlich des Balmorhea-Albums All Is Wild, All Is Silent gewonnen hat, auch live bestehen:

Ruhe kehrt ein. Der Horizont weicht zurück, das Land weitet sich. Dürres Grün gibt nach, beugt sich dem Spieltrieb des Windes. Du bist allein. Über sonnengegerbtem Boden wiegeln sich Wolken auf und rotten sich zu dunklen, hohen Türmen zusammen. Du hebst deinen Blick und erkennst, was du zu tun hast.

[…]

Endlich ist da kein Weg mehr, der schon einmal beschritten worden ist, endlich sind da keine Fussstapfen, denen es zu folgen gilt. Hier hegt niemand Erwartungen, denen du gerecht werden musst, denn niemand weiss, dass du hier bist. Balmorhea reichen uns in ihren Liedern Balsam für die Seele, wir schmieren uns grosszügig damit ein und besinnen uns auf das Wesentliche, auf uns selbst.

Geschrieben hat Alexander

Alexander schreibt am liebsten über die neuesten Entdeckungen aus den Genres Folk und Instrumental.