Montag letzte Woche beehrte niemand Geringeres als Ólafur Arnalds Wien. Gemeinsam mit seinem deutschen Genre-Freund aus Berlin, Nils Frahm, wurde mit dem Stadtsaal in Wien eigentlich eine Theater-Location bespielt – passenderweise, denn die Musik des Isländers versteht sich oft mehr wie ein Schauspiel als ein Konzert. Nicht etwa deshalb, weil der introvertierte Arnalds sein Publikum verbal unterhält, sondern weil seine Musik selbst Geschichten erzählt und man als Zuhörer zum Nacherzählen eingeladen wird. Zumindest ist das im Normalfall so. Beim ersten Wien-Auftritt von Ólafur Arnalds nach vier Jahren verzettelte sich dieser leider gar oft in Improvisationen und vergaß so auf seine besten Geschichten.
Improvisationen sind gut, sie gehören zu Konzerten wie die Butter aufs Brot. Nichts ist schlimmer als Konzerte, auf denen Künstler uninspiriert Nummer um Nummer ohne Zusammenhang abspulen und Setlists so zu Tracklists verkommen. Insofern müsste Ólafur Arnalds Lob gebühren, wäre ausgerechnet er mit seiner Musik nicht die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Arnalds Musik ist einfach, aber in ihrer Einfachheit komplex. Sie lebt von Details, Kleinigkeiten mehr, die sich seinen Hörern aber nicht beim ersten Mal erschließen. Ein gewisses Maß an Vorlaufzeit braucht es also, um in die sphärische Musik eintauchen zu können. Zeit, die man sich vor einem Ólafur Arnalds Konzert wahrscheinlich schon einmal genommen hat, die man aber bei einem Ólafur Arnalds Konzert unmittelbar nicht hat – und die einem letztendlich bei Improvisationen dann fehlen. Improvisationen in diesem Genre sind also gewagt, denn nicht selten verlieren sich Künstler in ihren sich ähnelnden musikalischen Mustern, ohne diese aber wie am Album mit den kleinen, den feinen Unterschied ausmachenden Details zu bereichern.
Auf Ólafur Arnalds zweites Konzert in Wien wird darum mit gemischten Gefühlen zurückgeblickt. Neben den enttäuschenden Improvisationen waren wohl auch die Erinnerungen an das Berlin-Gastspiel zu eindrücklich, dessen Zeuge man Ende 2010 im Zuge der “…And They Have Escaped the Weight of Darkness”-Tour im Babylon sein durfte. Damals nämlich nutzte Arnalds das sich im bietende Ambiente perfekt aus. Gleich wie der Stadtsaal in Wien ist das Babylon in Wien eine Theater-Location und sein damaliges Letztwerk …And They Have Escaped the Weight of Darkness wurde dort perfekt mit Visuals und Licht-Effekten in Szene gesetzt. Auch wenn die Musik von Ólafur Arnalds an sich keine Effekthascherei braucht – sie ist in sich geschlossen und wird mit den individuellen Geschichten seiner Hörer komplettiert – braucht sie doch einigermaßen passende Rahmenbedingungen, um sich vollends entfalten zu können – und diese wurden vergangene Woche in Wien leider nicht geschaffen. Das ist aber nur bedingt schlimm, denn Ólafur Arnalds verwöhnt uns zuletzt fast ohnedies halbjährlich mit einem neuen Alben, in welche man sich in regelmäßigen Abständen neu verlieren darf.
Das in diesem Artikel verwendete Foto stammt übrigens nicht vom Konzert in Wien, sondern von jenem am 3. April 2012 im Brancaleone in Rom. Geknipst und zur Verfügung gestellt von Alessia Ricciardi. Bitte meldet euch bei uns, solltet ihr Fotos von Olafur Arnalds und/oder Nils Frahm aus dem Wiener Stadtsaal haben.