Das Castingshowformat, welches in Österreich als “Starmania” und in Deutschland als “Deutschland sucht den Superstar” verkauft wird, heißt in Großbritannien “The X Factor” und die aktuellen Gewinner dieser Show landen zu Weihnachten in konstanter Regelmäßigkeit Hitparaden blockierende Erfolge. Grund genug zur Unzufriedenheit für viele britische Musiker, die sich zusammengeschlossen haben, um als Supergroup mit John Cage einen Gegenangriff zu starten.
Pete Doherty, the Kooks, Billy Bragg, Imogen Heap und Orbital (laut Guardian) sowie Bloc Party und Mitglieder von Madness (laut impulse) trafen sich als Supergroup im Rahmen des Projekts “Cage Against the Machine” am vergangenen Montag, den 6. Dezember 2010, um den diesjährigen Weihnachtshit der britischen Charts einzuspielen. Dabei handelte es sich aber nicht um eine im Kollektiv eigens komponierte neue Nummer, sondern um eine Interpretation des Musikstücks 4’33” des amerikanischen Avantgarde-Komponisten John Cage. Genauso wie das Original aus dem Jahre 1952, klingt auch die Neuinterpretation der britischen Musiker: nämlich gar nicht! Die Komposition 4’33” kommt ohne eine einzige Note aus, die Musiker verhielten sich bei der Neuaufnahme im Studio einfach still und legten somit den Grundstein für das, was sie an Weihnachten erreichen wollen: Stille im Radio.
“Cage Against the Machine”, der Name des Projekts, ist eine doppelte Anspielung. Einerseits natürlich auf den 1992 verstorbenen Komponisten, andererseits auf eine ähnliche Protestaktion gegen kommerzialisierte Musik aus dem Vorjahr, wo die alleine aufgrund der hohen Downloadzahlen 17 Jahre alte Nummer “Killing in the Name” der amerikanischen Band Rage Against the Machine einen Platz im Weihnachtsprogramm vieler Radiosender ergatterte und somit den damaligen Gewinner von “The X Factor” auf die Plätze verwies. Die Botschaft damals, gemessen an den Lyrics von “Killing in the Name”, richtete sich klar gegen Vormundschaft in der Musikgesellschaft:
“I won’t do what you tell me”
Erstaunlich dabei war insbesondere, dass die Aktion von einer Einzelperson initiiert wurde und sich die Botschaft wie ein Lauffeuer im Internet verbreitete. Es war eine klassische Machtdemonstration der Möglichkeiten des Webs, die aufgezeigt hat, welchen Unterschied ein Einzelner schaffen kann, wenn er Ideen einbringt, die von der Internet-Gemeinschaft aufgegriffen, unterstützt und selbst weitergetragen werden. Keine noch so ausgeklügelte Marketingstrategie oder teuer finanzierte Werbeplanung kann daneben bestehen. Auf einen ähnlichen Lauffeuer-Effekt hoffen heuer nun auch “Cage Against the Machine”. Die offizielle Website des Projekts verweist prominent auf dessen Präsenz in den führenden sozialen Netzen Facebook und Twitter, unmittelbar vor Veröffentlichung der Single am kommenden Montag pendelt sich die Unterstützerzahl allerdings bei einem Wert ein, der Zweifel darüber lässt, ob es für einen Weihnachtshit tatsächlich reicht. Schöner für die leidgeprüften britischen Radiohörer wäre ein Erfolg des Projekts aber allemal. Mussten diese im vergangenen Jahr das wüste “Killing in the Name” ertragen, so würden sie heuer mit Stille zumindest etwas bekommen, was in dieser Jahreszeit wohl jeder gut gebrauchen kann. Im Radio würde das nämlich in etwa so klingen, wie bei dieser Aufführung des klassischen Originals:
Das verwendete “Cage Against the Machine” Logo stammt aus dem Facebook-Album PROFILE PICS FOR ALL des Projekts.