Sufjan Stevens und der Soundtrack, von dem niemand wusste. Danke Natalie Portman!

Freundschaften unter Künstlern können schon außergewöhnlich sein. Als vor etwa drei Jahren eine gewisse Natalie Portman, Schauspielerin und ihres Zeichens bekannt aus Filmen wie “Léon” oder “Garden State”, eine Vorstellung von Sufjan Stevens’ The BQE besuchte, war sie von der Musik des Amerikaners und deren Inszenierung derart angetan, dass sie ihn prompt für die musikalische Untermalung ihres Regiedebüts “Eve”, einen 22-minütigen Kurzfilm anheuerte. Das Ergebnis dieser Kollaboration war Klaviermusik – feine, reduzierte, unverfälschte und wahrscheinlich genau deshalb von der ersten Sekunde an ungemein faszinierende Klaviermusik. Wie es da passieren konnte, dass diese nicht schon 2008 die breite Öffentlichkeit erreichte, bleibt ein Rätsel. Erst zwei Jahre später, Ende 2010 sorgte die Vinyl-Edition von Stevens EP All Delighted People dafür, dass man sich über eine ominöse “Side D” wunderte. Darauf zu hören: elf unbenannte Klavierstücke, die reduziert und irgendwie unverfälscht klingen – und gemeinsam in etwa 22 Minuten lang dauern.

2010 wurde alles wieder gut. Sufjan Stevens veröffentlichte mit All Delighted People erstmals nach vier Jahren wieder Musik, die nichts mit Weihnachten (Songs for Christmas) oder Autobahnen (das bereits angesprochene “The BQE”) gemein hatte. Die acht Nummern umfassende EP war gewissermaßen ein Vorgeschmack auf das absurde, aber geniale The Age Of Adz, welches noch im selben Jahr als ordentliches Studioalbum veröffentlicht werden sollte, und beinhaltete in seiner Vinyl-Edition klammheimlich die Filmmusik zu “Eve”. Unterteilt in elf Stücke und in Ermangelung eines Namens einfach Untitled 1 bis Untitled 11 heißend, weckt Side D umgehend wunderbare Erinnerungen. Nämlich an die isländische Band Sigur Rós und deren Album ( ) aus dem Jahre 2002; einem Album, dessen Magie im offenen Raum lag. Ohne Namen, dafür aber mit reinweißer CD und transparentem Booklet ausgestattet, gelang Sigur Rós mit dem “Klammer auf, Klammer zu”-Album eine vollständige Reduktion auf die Musik. Dadurch wurde Raum für eigene Gedanken geschaffen, denn nicht die Isländer gaben dem Album Titel und Cover, nein, die Hörer waren es – und jeder machte das individuell.

Auch wenn es ihm möglicherweise nicht bewusst ist, aber Sufjan Stevens ist mit seinen elf Klavierstücken etwas ähnlich Wunderbares wie Sigur Rós gelungen. Natalie Portman sei zwar Dank, aber eigentlich hören wir bei Untitled 1 bis Untitled 11 nicht den Soundtrack zu ihrem Regiedebüt “Eve”, sondern doch lieber die ominöse Side D von “All Delighted People”, zu der wir nichts weiter wissen – und zu der wir auch nicht mehr wissen wollen. Denn erstmals seit fast 10 Jahren dürfen wir es selbst wieder sein, die einem Album einen Titel und Liedern Namen geben. Und ein Booklet gestalten können. Und Geschichten zu allem erdenken dürfen. Und …

Geschrieben hat Alexander

Alexander schreibt am liebsten über die neuesten Entdeckungen aus den Genres Folk und Instrumental.