Es hat schon eine ordentliche Portion Zufall benötigt, um auf Lingby aufmerksam zu werden. Kein Wunder aber, denn die fünfköpfige Formation aus Köln wurde in erster Linie auf Konzerten in ihrer deutschen Heimat bekannt. Während man also mit Bekanntheiten wie Lampshade oder Joshua Radin schon auf der Bühne stand, ließ die erste offizielle Album-Veröffentlichung lange auf sich warten. Seit letztem Jahr aber, fünf Jahre nach Gründung von Lingby, ist auf der Musiker-Plattform Bandcamp mit Count The Stars ihr erstes Album zumindest digital erhältlich – und das ist auch gut so, denn ansonsten wüssten wir immer noch nicht, was uns entgeht.
Bei einer Vorlaufzeit von fünf Jahren darf man eigentlich jedes Ergebnis mit Spannung erwarten. Wie den ersten Schritt in das Haus, welches der ambitionierte Architekt über fünf Jahre mit großer Detailverliebtheit und hohen Qualitätsansprüchen erbauen ließ. Was erwartet uns aber bei einem Musikalbum, welches nach fünf Jahren entstanden ist? Welches die Einflüsse von fünf Jahren Bandgeschichte beinhaltet und welches die musikalische Entwicklung verschiedener Musiker über fünf Jahre summiert? Emanate Booking, das Plattenlabel von Lingby, sieht mit “Count The Stars” im Debütalbum ihrer Schützlinge “klassische Komposition, akustisches Songwriting, gitarrenwandlastige Proberaumerfahrungen und elektronische Experimentierfreudigkeit” und empfindet all das als “stimmigen Querschnitt”. Auch wenn das nicht unbedingt vielversprechend klingt – ein Querschnitt vermag ja schon per Definition von keiner Einheit zeugen und ist im Kontext eines Musikalbums, welches eben einheitlich, “wie aus einem Guss” klingen sollte, nur bedingt positiv – so ist diese Beschreibung doch richtig. “Count The Stars” klingt so unterschiedlich wie ein “Best Of”-Album der besten Lingby-Momente der vergangenen fünf Jahre, nur das wir als Hörer keines der über die Jahre entstandenen Alben kennen, welche Teile dieser “Best Of”-Zusammenstellung wären.
Somit dürfen wir die Details selbst ergründen, die den stimmigen Querschnitt von “Count The Stars” bilden. Nach und nach entdecken wir sie auch, mit jeder Nummer wird verständlicher, was Emanate Booking in Lingby sieht. Man staunt tatsächlich über “klassische Kompositionen” (in “Swim Elk”), träumt mit beim “akustischem Songwriting” (in “Waterways” und vor allem “Empty Still”) und tanzt schon mal zu den “gitarrenwandlastigen Proberaumerfahrungen” (in “Broken TV Screen”). Alleine “elektronische Experimentierfreudigkeit” lässt sich auf “Count The Stars” nicht finden, was aber in keinster Weise stört, da dieses Fehlen nur den ansonsten doch zu gut gemeinten “stimmigen Querschnitt” verringert. Stattdessen konzentrieren sich mit Judith Hess und Willi Dück diejenigen, die seit 2005 federführend hinter Lingby stehen, verstärkt darauf, womit ihre Band wohl auch auf Konzerten zu begeistern weiß. So sind die Nummern auf “Count The Stars” geprägt von facettenreichen Arrangements, vom gezielten Einsatz klassischer Instrumente wie der Posaune und einer starken Hauptstimme, bei der Hess und Dück einander abwechseln. Ein Beispiel? “Empty Still”:
Bei dieser musikalischen Vielseitigkeit, die Lingby mit scheinbar spielerischer Selbstverständlichkeit auf ihrem Debütalbum an den Tag legen, erstaunt es umso mehr, dass man von den Deutschen bis heute noch nichts gehört hat. Köln ist eben doch weit weg von Wien. Nichtsdestotrotz wollen wir hoffen, dass der Weg von Lingby mal in unsere Nähe führt. Fünf weitere Jahre wollen wir ihnen dafür aber nicht Zeit geben.