Die Schweden rund um Christian Kjellvander kamen und fuhren mit dem Auto weiter

Die Schweden rund um Christian Kjellvander kamen und fuhren mit dem Auto weiter

Nachdem man vom bärtigen Türsteher noch lange vor Mitternacht zum Ausgang gebeten wird, trifft man doch glatt Christian Kjellvander und Thomas Denver Jonsson aka I’m Kingfisher in der Hauffgasse an, wie sie ihre Instrumente und Merchandising-Artikel aus der Szene Wien schaffen. Da ist man am Ende dieses Singer/Songwriter Abends schon ein wenig desillusioniert. Unweigerlich fragt man sich nämlich, wo denn die Stagehands sind, die einem Christian Kjellvander diese Arbeit abnehmen. Und wo ist der Bandbus? Wieder die Desillusion. Beladen wird ein gemietetes Fahrzeug von Europcar, mit dem es weiter nach Linz geht. Wo aber waren auch die vielen Zuhörer, die diesen vielversprechenden Singer/Songwriter Abend der Vienna Songwriting Association zu einem echten, stimmungsvollen Event hätten machen können?

Der erste Act ist jetzt auf der Bühne. Nur falls das jemanden interessiert!

Eigentlich schon. Die Vorfreude war nämlich groß und besonders vom “ersten Act”, nämlich Markus Svensson aka The Tarantula Waltz, durfte man sich so einiges erwarten. Doch die schon im Vorfeld mäßige Vermarktung des kleinen schwedischen Singer/Songwriter Festes schien sich wie ein roter Faden auch durch den Konzertabend zu ziehen. So war den Veranstaltern in der Szene Wien der Unmut über den schlechten Besuch förmlich anzumerken, was wiederum für die Stimmung unter den vorhandenen Gästen nicht förderlich war. Hier muss man sich schon fragen, wie es überhaupt soweit kommen konnte? Immerhin wurde an diesem Abend neben Christian Kjellvander, I’m Kingfisher und The Tarantula Waltz mit Martin Henrik Hasselgren aka Boy Omega noch ein vierter schwedischer Singer/Songwriter geladen. Mit der Schirmherrschaft der Vienna Songwriting Association, die mit Anna Kohlweis aka Paper Bird auch noch eine lokale Vertreterin des Genres auf die Bühne brachte, und dem sympathischen Aufhänger “Die Schweden kommen!”, wurden eigentlich beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abend geschaffen. Doch scheinbar wurde mit dem Fokus Singer/Songwriter doch auf das entscheidendste aller Instrumente ein wenig vergessen: auf die Werbetrommel!

Dabei hatte dieser Abend musikalisch so unglaublich viel zu bieten. Auch wenn mit dem Genre Singer/Songwriter und dem Herkunftsland Schweden der musikalische Radius sehr eng gesteckt schien, stellte sich rasch heraus, dass die vier Schweden einander nicht kopierten. So war es faszinierend zu sehen und zu hören, welch unterschiedliche Zugänge die verschiedenen Künstler zum Genre entwickelt haben und wie sie es mit all ihren Vorlieben und ihrer Persönlichkeit interpretierten. Während The Tarantula Waltz und I’m Kingfisher noch das klassische Bild des Singer/Songwriters verkörperten – nämlich “Mann mit Gitarre und sonst nichts” -, lieferte Boy Omega schon eine regelrechte Show ab. Sein Auftritt wurde verstärkt durch Samples vom Band, live eingespielte Loops und der angesprochenen Paper Bird, mit der er “Let The Dark Light In”, seinen Beitrag zur gemeinsamen Split-7“ Veröffentlichung, die in diesen Tagen erscheinen wird, zum Besten gab.

Der gemeinsame Auftritt von Boy Omega und Paper Bird war wohl einer der ersten wirklich großen Momente des Abends. Und zugleich auch der erste und letzte große Moment, der nichts mit Christian Kjellvander zu tun hatte. Denn was der kleinen Hörerschaft in der letzten Stunde des Singer/Songwriter Festes in der Szene Wien von Kjellvander geboten wurde, suchte wohl nicht nur an diesem Abend seinesgleichen. Kjellvander verstand es perfekt mit seiner Stimme die Schwingungen der eigenen Gitarre aufzufangen und so den Texten seiner Lieder den notwendigen Nachdruck zu geben – man verlor sich förmlich in ihnen! Die Kraft der Stimme ist wohl der größte Unterschied, den ein Singer/Songwriter heute erwirken kann. Angesichts dieser Bühnen-Darbietung wurde selbst die unsererseits zwar beliebte, aber als ein wenig zu oberflächlich empfundene Nummer Two Souls verständlich und authentisch. Vielleicht hat es genau einen solchen Abend gebraucht, um das zu erkennen. Kjellvander live und im direkten Vergleich mit anderen Musikern zu erleben, machten den Tiefgang, den er seit Jahren in seine Musik steckt, deutlicher.

Wieder zurück in der Hauffgasse vor der Szene Wien. Man verabschiedet mit einem Lächeln Christian Kjellvander und Thomas Denver Jonsson. Sie lächeln zurück und laden weiter ihr Equipment in das gemietete Auto ein. Klar, man wurde heute Abend desillusioniert, was die offensichtlichen finanziellen Möglichkeiten guter Musiker betrifft. Aber man gewann auch Hoffnung. Nämlich jene, dass es weiterhin Musiker gibt, die all diesen Aufwand gerne betreiben und einem somit ein Stück musikalisches Heimatgefühl geben, ohne dieselbe Muttersprache mit einem zu sprechen. In diesem Fall waren es eben die Schweden, die gekommen sind. Und sie fuhren mit dem Auto weiter.

Die Konzertbilder stammen übrigens von Bettina F. – aka wundermaedchen.

Geschrieben hat Alexander

Alexander schreibt am liebsten über die neuesten Entdeckungen aus den Genres Folk und Instrumental.